Die politische Einsicht von Aristoteles, dass die Zinsnahme auf Dauer ein Gemeinwesen zerstört, wird ausdrücklich im Qur’an bestätigt.
Im Islam werden Zinsen aus ökonomischer, sozialer und ethischer Sicht als schädlich für die Gesellschaft betrachtet. Aus diesem Grund verbietet Allah, der Erhabene, das Nehmen und Geben von Zinsen.
Als Hintergrundinformationen ist es nützlich zu wissen, dass der ganzheitliche Lebensansatz, den der Islam jedem Gläubigen auferlegt, auch die Methoden der Geschäfts- und Finanzaktivitäten bestimmt. Die wesentlichen Grundsätze der Scharia, dem Teil des islamischen Rechts, der Praktiken und Aktivitäten festlegt, schreiben vor, dass Investoren keine Transaktionen tätigen dürfen, die spekulativer Natur sind, Zinszahlungen umfassen oder vertragliche Unsicherheiten enthalten. Darüber hinaus müssen alle Transaktionen durch Vermögenswerte besichert sein.
Islamic Finance berücksichtigt konsequent die völlig anders ausgerichtete Denkweise im islamischen Finanzwesen. So basiert der westliche Kapitalismus vornehmlich auf dem Gewinnstreben einzelner, welche durch Zinserträge ihr Kapital stetig vermehren können. Anders das islamische Finanzwesen: Es erkennt zwar Privateigentum, Markt und Wettbewerb ebenfalls an, stellt aber in den Vordergrund den Zusatznutzen, den ein bestimmtes Produkt für die Gemeinwirtschaft schafft. Dieses Wirtschaftsverständnis geht zurück auf den Propheten Mohammed (s.a.s.), der es den arabischen Händlern ausdrücklich verbot, Zinsen zu zahlen oder anzunehmen. Dieses Zinsverbot ist im Qur´an festgehalten.
Qur´an 2:275: "Diejenigen, die Zins verschlingen, werden nicht anders aufstehen als jemand, den der Satan durch Wahnsinn hin und her schlägt!" Dies wird sein, weil sie sagten "Verkaufen ist das gleiche wie Zinsnehmen." Doch hat ALLAH das Verkaufen erlaubt und Zinsnehmen verboten."
Qur´an 2:278: "O die Ihr glaubt, fürchtet Allah und laßt das sein, was an Zinsgeschäften noch übrig ist."
Qur´an 2:279: "Und wenn ihr dies nicht tut, dann ist euch Krieg angesagt von Allah und Seinem Gesandten. Doch wenn ihr bereut, dann soll euch euer Kapital zustehen, so daß weder ihr Unrecht tut, noch euch Unrecht zugefügt wird."
Qur´an 30:39: "Und was immer ihr auf Riba verleiht, damit es sich mit dem Gut der Menschen vermehre, es vermehrt sich nicht vor Allah; doch was ihr an Zakat entrichtet, indem ihr nach Allahs Antlitz verlangt, sie sind es, die vielfache Mehrung empfangen werden."
Der Gesandte (s.a.s) verfluchte: den Zinsnehmenden, den Zinsgebenden, der den Zinsertrag aufschreibt, die beiden Zeugen (für das abgeschlossene Zinsgeschäft).
Gründe für das Zinsverbot
Die islamischen Gelehrten haben ihre Ansichten bezüglich der Gründe für das Zinsverbot wie folgt dargelegt:
Gläubiger, die Zinsen nehmen, vermehren ihr Vermögen mit dem Besitz der Schuldner (Besitzlose, Arbeiter, Handwerker etc. mit kleinem Verdienst und Arme). Dadurch werden Reiche noch reicher und Arme noch ärmer.
Die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich in Gesellschaften, die auf Zinswirtschaft beruhen, lässt bei den Benachteiligten Unzufriedenheit und Neid wachsen und hat letztlich vielschichtige soziale Konflikte zur Folge.
Zinslose Kredite bringen die Menschen einander näher, während Zinsen die Menschen voneinander entfernen.
Die Zinswirtschaft bringt Menschen hervor, die nur von den Zinsen leben und der Gesellschaft keinen Nutzen bringen, d.h. ein unproduktives Leben führen.
Der Schuldner, der einen verzinsten Kredit aufgenommen hat, muss hart arbeiten, um seine Schulden zu tilgen, und nimmt ein großes Risiko auf sich. Der Gläubiger jedoch braucht weder zu arbeiten, noch sich Sorgen zu machen. Dies führt dazu, dass das Gerechtigkeitsgefühl der Menschen beeinträchtigt wird.
Das islamische Zinsverbot ist die Grundlage für die Entstehung des Islamic Banking. Es beinhaltet nur Finanzprodukte, welche ohne Zinszahlung angeboten werden können. Gewinne werden erwirtschaftet auf der Basis von Gewinnbeteiligungen. Geschäftsaktivitäten, in denen Zinsspannen Erträge erwirtschaften könnten, sind strikt untersagt.
Auch dürfen Muslime kein Geld in Unternehmen investieren, die ihren Umsatz mit Zinsgeschäften, Alkohol, Tabak, Schweinefleischprodukten, Glücksspiel, Pornografie oder Rüstung generieren.
Weitere Gebote in der islamischen Finanzwirtschaft:
Gharar: Verbot von Spekulation. Übertragen in die Finanzwelt verbietet dieser Grundsatz, aufgrund des hohen Spekulationsrisikos, auch jegliche Art von Optionsgeschäften. Verstärkt wird der Verbot von Optionsgeschäften auch damit, dass nichts verkauft werden kann, das man nicht besitzt.
Maysir: Verbot von Glückspielaktivitäten. Darunter fällt auch die Zufälligkeit des Erhalts einer Leistung, wie bei einer Versicherung.
Grundsätzlich gilt es, die Maslaha (dem Gemeinwohl und dem Einzelnen nützlich) zu fördern und die Mafsada (dem Gemeinwohl und dem Einzelnen nicht nützlich) zu vermeiden. Mit Maslaha wird die Bewahrung der Intention der Scharia gemeint. Die Intention der Scharia bezüglich des Menschen besteht aus fünf Prinzipien: Die Bewahrung ihrer Religion, ihres Lebens, ihres Verstandes, ihrer Nachkommenschaft und ihres Eigentums. Alles, was diesen fünf Prinzipien dient, ist Maslaha und alles, was diesen Prinzipien widerspricht, ist Verdorbenheit, Mafsada und seine Abwehr ist Maslaha.
Zinsverbot im Juden- und Christentum

Ebenso wie der Islam kennen auch das Juden- und Christentum ein Zinsverbot. Das Verbot des Zinsnehmens geht auf Passagen des Alten Testaments zurück und erlangte auf diese Weise für Juden und Christen gleichermaßen eine Bedeutung.
Das biblische Zinsverbot basiert im Wesentlichen auf folgenden Textstellen des Alten Testaments:
2. Buch Mose (Exodus) 22 , Vers 24: "(24) Wenn du Geld verleihst an einen aus meinem Volk, an einen Armen neben dir, so sollst du an ihm nicht wie ein Wucherer handeln; du sollst keinerlei Zinsen von ihm nehmen."
3. Buch Mose (Levitikus) 25, Vers 35-38: "(35) Wenn dein Bruder neben dir verarmt und nicht mehr bestehen kann, so sollst du dich seiner annehmen wie eines Fremdlings oder Beisassen, dass er neben dir leben könne; (36) und du sollst nicht Zinsen von ihm nehmen noch Aufschlag, sondern sollst dich vor deinem Gott fürchten, dass dein Bruder neben dir leben könne. (37) Denn du sollst ihm dein Geld nicht auf Zinsen leihen noch Speise geben gegen Aufschlag. (38) Ich bin der HERR, euer Gott, der euch aus Ägyptenland geführt hat, um euch das Land Kanaan zu geben und euer Gott zu sein."
5. Buch Mose (Deuteronomium) 23, Vers 20-21: "(20) Du sollst von deinem Bruder nicht Zinsen nehmen, weder für Geld noch für Speise noch für alles, wofür man Zinsen nehmen kann. (21) Von dem Ausländer darfst du Zinsen nehmen, aber nicht von deinem Bruder, auf dass dich der HERR, dein Gott, segne in allem, was du unternimmst in dem Lande, dahin du kommst, es einzunehmen."
Obgleich sowohl Juden, als auch Christen aus den selben religiösen Quellen schöpften, ergaben sich für beide Religionsgemeinschaften im europäischen Mittelalter hieraus zwei unterschiedliche, einander gegenläufige Konsequenzen.
Bereits in den ersten frühchristlichen Jahrhunderten war im Rahmen mehrerer Synoden, das heißt im Rahmen mehrerer Zusammenkünfte von Kirchenoberhäuptern, ein generelles Zinsverbot als Grundsatz des christlichen Glaubens formuliert worden. Im Mittelalter wurde dieser Grundsatz von Papst Innozenz III. im Jahre 1215 in Form eines generellen Zinsverbotes rechtlich institutionalisiert. Im Rahmen dieses "kanonischen Zinsverbots" galt das Nehmen von Zinsen fortan nicht nur als Sünde, sondern auch als ein Kapitalverbrechen, das mit Raub, Brandstiftung oder Prostitution gleichgesetzt wurde. Die Phase des Zinsverbotes im katholischen Teil Europas erstreckte sich über mehrere Jahrhunderte und erfuhr erst mit der Reformation und der Unabhängigkeit vieler Landesfürsten von den Vorschriften der katholischen Kirche eine zumindest teilweise Auflösung. Die katholische Kirche selbst hielt bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts an der Doktrin des Zinsverbotes fest.
Da auch die mittelalterliche Wirtschaft Europas nicht ohne das Verleihen von Geld auskommen konnte, wurden Geldgeschäfte im Wesentlichen auf den jüdischen Teil der Bevölkerung übertragen. Auf diese Weise konnte das kirchliche Zinsverbot umgangen und gleichzeitig das Judentum als Inbegriff der Sündhaftigkeit gebrandmarkt werden. Bereits im Jahr 1179 hatte Papst Alexander III. den jüdischen Gemeinschaften das Recht zugestanden, Geld gegen Zinsen zu verleihen. Von Seiten der Juden, die ihren Lebensunterhalt per Gesetz ohnehin nur über Handel und Geldgeschäfte verdienen durften, wurde das alttestamentliche Zinsverbot in der Weise interpretiert, dass es sich ausschließlich auf Leute ihres "Volkes" (vgl. Exodus 22, Vers 24), nicht aber auf "Ausländer" (vgl. Deuteronomium 23, Vers 21) bezog. Das "Volk" war in diesem Sinne die jüdische Glaubensgemeinschaft, die "Ausländer" alle, die nicht jüdischen Glaubens waren.
Somit erschloss das kanonische Zinsverbot den europäischen Juden einerseits eine lukrative Erwerbsquelle, anderseits schwächte es deren sozialen Status in einer vom Katholizismus geprägten mittelalterlichen Gesellschaft nachhaltig. Zum Bild von der jüdischen Sündhaftigkeit gesellte sich häufig der Neid auf die über Geldgeschäfte wohlhabend gewordenen jüdischen Geschäftsleute. Diese Verbindung aus christlich moralischer Überlegenheit und persönlichem Neid bildete einen wichtigen Ausgangspunkt für die Judenverfolgungen Europas.
Innerhalb der katholischen Kirche wurde das Zinsverbot 1822 endgültig abgeschafft - die Abschaffung wurde jedoch nie begründet